Josef Ritter von Bergmann (* 13. November 1796 in Hittisau (Vorarlberg); † 29. Juli 1872 in Graz) war ein österreichischer Historiker, Philologe und Numismatiker.
Joseph von Bergmann studierte an der Universität Wien Rechtswissenschaften und Philologie. Im Jahr 1826 begann er als Gymnasiallehrer in Cilli. Seit 1828 war als Nachfolger von Alois Primisser Kustos am Münz- und Antikenkabinett der Ambraser Sammlung in Wien, die heute zum Kunsthistorischen Museum gehört. 1863 wurde er Direktor des Münz- und Antikenkabinetts.
In den Jahren 1831 bis 1844 war er auch als Lehrer der Söhne von Erzherzog Karl in Geschichte und Latein tätig. Seit 1848 war er wirkliches Mitglied der Wiener Akademie der Wissenschaften, 1853 wurde er deren Vertreter in der k.k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale.
Begraben ist er auf dem Romantikerfriedhof Maria Enzersdorf. Sein Sohn war der Ägyptologe Ernst von Bergmann (1844–1892).
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Das Thal Resia und die Resianer in Friaul
JOSEPH BERGMANN
Nach der Karte des k. k. Generalquartiermeisterstabes zieht sich von Resiutta, einer Poststation auf der Straße von Ponteba nach Udine, östlich gegen das görzische Flitsch hin das Canale della Resia, das von einem gleichnamigen Wildbache durchströmt ist. Auf der linken Seite dieses Resia-Baches liegen thaleinwärts Gniva und Oseacco, auf der rechten St. Giorgio, Resia, Stolvizza, welche alle zusammen nach dem mehrerwähnten Compartimento Territoriale etc. dell’I. R. Governo Veneto, 1846, p. 29, mit einer Bevölkerung von 2739 Menschen die Pfarre Resia in dem Districte und in der Pretura Moggio der Provinz Udine bilden.
In dieses Bergthal wanderten in unbekannter Zeit – am natürlichsten über den hohen Gebirgsrücken, wie die Karte zeigt, aus dem Flitscherboden, hauptsächlich von Raibl und Saaga her – in günstiger Jahreszeit auf die Weide Hirten und in die Wälder Holzarbeiter slavischer Zunge, von denen Höhen, Felsen, Berge, Gräben, Bäche, Thäler, Wälder, Aecker u. s. w. zum Theile heute noch ihre Namen, wenn auch mehr oder minder entstellt, behalten haben. Wir finden auf der genannten Karte in und um das Resiathal viele derlei Namen, von welchen mehrere unser gelehrter Slavist, Herr Dr. Miklosich, Beamter an der k. k. Hofbibliothek, auf bessere Schreibweise gebracht und wie folgt erklärt hat, z. B.:
• R.(ivo) Poloch soll wahrscheinlich Potok, ‚siccus‘, ‚Bach‘, heißen; R. Suipotoch, d. i. suhi potok, ‚siccus‘, ‚rivus‘, das lat. ‚torrens‘, unser deutsches ‚Dürrenbach‘, welches Wort ich in den Alpen öfter hörte; R. Cernipotoch, d. i. črni potok, ‚Schwarzenbach‘; R. Slofigni potoch, d. i. Slovénji potok, ‚Wendenbach‘; R.
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Bila, richtig béla, ‚weiß‘, vgl. Belgrad, Biela, Bielitz; Zapotoco, slav. za potokom, ‚hinter dem Bache‘; R. duol – ‚Thalbach‘, von dol, ‚Thal‘; dolina, ‚Thälchen‘, daher der Name Doliner,pradolino, wahrscheinlich aus dem ital. prato, pra, und dem slav. dolina, daher etwa ‚Wiesenthal‘. Da die Italiener und die Verfertiger der Karte das slavische Potok nicht mehr verstanden, setzten sie pleonastisch Rivo voran.
• Berdo, gegen den Monte Babba (d. i. baba, ‚vetula‘), slav. richtig brdo, ‚Berg‘, daher die dunkeln Zusammensetzungen Tonperdo, Toperdo.
• Pechinie, slav. pečinje, ‚Felsen‘; cerna peg, d. i. črna peč, ‚Schwarzenfels‘.
• Pianina, slav. planina, ‚Alpe‘; Planinizza, slav. planinica, dasselbe.
• Podjauer, pl. podjavor, etwa ‚Unterahorn‘ (‚acer‘), vgl. Jauer in Schlesien, Jabornigg etc. M.(onte) Tasajavoram, aus dem dunklen ta und sajavoram – za javoram, ‚hinter dem Ahorn‘?
• Gniva, slav. njiva, ‚Acker, Feld‘.
• Goriuda, von gora, ‚oben‘; goregnavas, gorenja vas (‚Dorf‘), ‚Oberdorf‘, Podgora, slav. podgora, ‚Unterberg‘; vgl. Podgorze bei Krakau.
• Jame, ‚Graben‘, podjama, slav. pod - jama, ‚Untergraben‘; za jama, slav. zajama, ‚Hintergraben‘.
• Jelina, ‚Tanne‘.
• Las, ‚Wald‘, daher R.(ivo) Lasnik, d. i. ‚Waldbach‘, der unweit des Monte Babba in die Resia stürzt; vgl. Lassing-Bach mit seinem schönen Wasserfalle in Niederösterreich.
• Laschi cole, laški, ‚Italus‘, ‚Welsch‘; cole ist dunkel; laschi plas, d. i. laški plaz, ‚welscher Schneeberg‘.
• Nischivarche, slav. niski vrh, ‚Niederberg‘.
• Oseacco, d. i. Osek; vgl. Ossiach in Kärnthen, Ossegg in Böhmen etc.
• Scale, slav. skale, ‚Felsen‘.
• Slatioa, ‚Sauerbrunnen‘.
• Slebe, slav. žleb (?), ‚Rinne‘.
• Sriedni bosch slav. srédniji und ital. bosco, ‚Mittewald‘.
• Staremlin, slav. stari mlin, ‚alte Mühle‘, ‚Altmühl‘.
• Starmaz, slav. strmec und starmizza strmica, ‚steile Höhe‘.
Ueber diese Slaven im Thale Resia enthalten die vaterländische Blätter für den öster. Kaiserstaat, Wien 1816, S. 176-180, einige Notizen, welche der selige Kopitar († 1844) aus den in französischer Sprache geschriebenen Papieren des berühmten polnischen Reisenden (um 1790), Johann Grafen von Potocki, die sich in der gräflich Ossolinskischen Bibliothek befinden, zur Vergleichung mit einem ähnlichen Aufsatze von dem dort gewesenen Feldpater Anton Pišely, einem Böhmen, ddto. 14. April 1801 in Dobrowsky’s Slavin, Prag 1808, S. 120-128 (dann von Wenzel Hanka, Prag 1834, S. 118-124) zu dem Zwecke mitgetheilt hat, daß dortige Forscher die Untersuchung über diese, lange unter Venedigs Herrschaft isolirten Slaven sich angelegen seyn lassen. Seitdem ist eine „Nachricht über die Resianer“ aus einem Schreiben I. Srezniewski’s, Professors zu Charkow, an Herrn Custos Wenzel Hanka in Prag, ddto. Cividale 2. Mai 1841, in den Časopis českého Museum 1841, p. 341 niedergelegt. Eine theilweise Uebersetzung aus der böhmischen Časopis verdanke ich der freundliche Güte
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des Herrn Doctors Beck, Erziehers Sr. Durchlaucht des jungen Fürsten Adolf von Schwarzenberg, nach welcher Herr Professor Srezniewski vier Dörfer nennt, welche die Resianer bewohnen, als: Bjila, Njiva, Osean, Solbica, und vier Marktflecken (?!): Rawenetz, Lipowetz, Kuritis, Učei (sprich Utschej), und außerdem in einzelnen Gehöften, als: na Križecich, za Mlinom, u Kolištji, u Martina, na Lazu, u Hözdi, u Lištjace, na starim mlinu, na černim potoci, pod Ruštji, na Gospodnici. In diesem letzten Hofe soll der gemeinsame Ahnherr aller Resianer gewohnt haben, der nach dem hochwürdigen Herrn Odorico Buttolo aus Russia, d. i. Rußland gekommen ist (?). In Rawenz, das wohl der heimische Name für Resia ist, steht nach dem Grafen von Potocki die Hauptkirche auf einer Anhöhe, Prato genannt, ungefähr gleichweit von den vier Dörfern entfernt, in deren jedem nach Srezniewski ein Kirchlein ist. Die Pfarr-Register gehen nach dem Herrn Grafen nur bis zum J. 1590 zurück. Vor 1390 hatte ein benachbartes Kloster die Seelsorge in diesem Thale. Diese Angabe scheint mir, wenn sie sich bestätigt, ein Haltpunct zu weiterer Forschung zu seyn. Dürfte nicht dieses Gotteshaus slavische Dienstleute, Arbeiter und Hirten in diese seine Berge genommen haben, wie sie z. B. St. Gallen in Appenzell, die Mehrerau im Bregenzerwalde und andere anderswo hatten, und so den Grund zur Beurbarung dieser blühenden Berglandschaften legten? Die Familien, die in diesen alten Kirchenbüchern vorkommen, bestanden noch (um 1790) alle. Ihre Namen sind Butul, Folador, Cucus, an einer andern Stelle richtiger Kus (‚Amsel‘), Brida, Hrug, Bilina, Quaja, Mosnik;Modot, Longhino, Leonardi, Bobatz, Clement, Letich, Paletto, Tranchon, Piclich und Andere.
Die Resianer nennen, nach dem Grafen von Potocki, in ihrer Mundart einen Priester Jero oder Jerun. Diese Benennung ist griechischen Ursprungs (ἱερεύς) und scheint zu zeigen, daß sie zu einem der slavischen Zweige gehören, die ihren Glauben von den Griechen und nicht von den Lateinern erhalten haben. Jedoch ist ihre Sprache nur eine Unterart vom Dialekte der Nachbarn.
Die Einwohner leben in der mittlern Region des Thales; unten sind steinige Flächen ohne ein Blättchen Gras, über das Gestein fließt die Resia und drei Bäche, die in sie fallen; oben sind nackte, kaum zugängliche Höhen. Daher nichts als Armuth; das Volk hilft sich so gut es kann. Die Männer ziehen nach Krain und weiter als Taglöhner, und nach Potocki auf den Handel, die Weiber sind nach demselben zu harten und schweren Arbeiten verdammt, nach Srezn. verkaufen sie in der Nachbarschaft ihre Handarbeit (welche?) oder betteln. Die Häuser sind nach Ersterem ohne Rauchfänge und ihre Zimmer gewölbt. Sie machen das Feuer in einem Winkel, und der Rauch geht zur Thüre oder zum Fenster hinaus. Nach Letzterem, etwa fünfzig Jahre später, sind die Häuschen von italienischer Bauart, manche recht hübsch mit zwei oder drei Stockwerken und mit Stuccatur, geweißt, von Maueren eingefaßt, innerlich geputzt. Wenn die Häuschen seit den Neunziger Jahren sich so sehr verschönert haben, so ist das ein Zeichen erhöhten Wohlstands und bessern Geschmacks. Aber höchst auffallend ist die Verminderung der Bevölkerung. Anton Pisely zählte 7000 (?) von Viehzucht und Ackerbau (?) lebende Menschen im J. 1801 und Prof. Srezniewski vierzig Jahre später 2067 (?), das wäre eine unerhörte Abnahme von 4933 Menschen; fünf Jahre später, im J. 1846, hatte nach beglaubigter Angabe das ganze Thal 2739 Einwohner, das wäre seit 1801 eine jährliche Abnahme von 94 bis 95 Personen.