III. Völkerrechtliche Anerkennung des Kosovo durch die deutsche Regierung und den Bundespräsidenten vom 20. Februar 2008 sowie durch andere Regierungen ist völkerrechtswidrig
1. Verstoß der Anerkennung des Kosovo gegen UN-SR-Resolution 1244/99 vom 10. Juni 1999
Die seit dem 18. Februar 2008 erfolgte völkerrechtliche Anerkennung des Kosovo durch Deutschland und durch andere Staaten ist wegen Missachtung der UN-Sicherheitsresolution 1244/99 vom 10. Juni 1999 sowie wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur Achtung der territorialen Integrität aus Artikel 2 (1) der UN-Charta und gegen das zwischenstaatliche Interventionsverbot völkerrechtswidrig. Darauf haben im Rahmen der EU u.a. auch die Regierungen Spaniens und Österreichs sowie darüber hinaus u.a. die Regierungen Russlands und Serbiens mit Recht hingewiesen.
Der UN-Sicherheitsrat hat in seiner Resolution 1244/99 vom 10. Juni 1999 in der Präambel (Erwägung 9) sowie in Anhang 2 ausdrücklich die territoriale Integrität der damals noch existierenden Bundesrepublik Jugoslawien bestätigt und darüber hinaus eine politische Lösung der Status-Frage sowie die Wiederherstellung einer weitreichenden Autonomie des Kosovo durch die UNMIK gefordert. Eine Sezession des Kosovo lehnte er ausdrücklich ab:
„Erneute Bekräftigung der Bindung aller Mitgliedstaaten an die Souveränität und an die territoriale Integrität der Föderalen Republik Jugoslawien und der anderen Staaten der Region, wie in der Schlussakte von Helsinki erklärt.“
„Ein politischer Prozess in Richtung der Etablierung eines vorläufigen politischen Rahmenabkommens zur Unterstützung einer dauerhaften, eigenständigen Regierung des Kosovo, unter voller Berücksichtigung der Grundsätze von Souveränität und territorialer Integrität der Föderalen Republik Jugoslawiens und der anderen Länder der Region.“
„Erneute Bekräftigung der Forderung vorhergehender Resolutionen, nach dauerhafter Autonomie und weitgehender Selbstadministration für den Kosovo.“
Die durch diese UN-Sicherheitsratsresolution vom 10. Juni 1999 bestätigte Geltung der territorialen Integrität der Bundesrepublik Jugoslawien gilt auch heute noch für Serbien, da es 2006 die alleinige Rechtsnachfolge des Staatenbundes Serbien und Montenegro antrat, welcher wiederum seit 2003 der Rechtsnachfolger der Bundesrepublik Jugoslawien war.
Folglich ist jede andere als eine politische Lösung der Statusfrage des Kosovo unter Zustimmung Serbiens und unter Beachtung von dessen territorialer Integrität unvereinbar mit der UN-SR-Resolution 1244/99. An diese sind alle Völkerrechtssubjekte aufgrund des gemäß Art. 25 in Verbindung mit Art. 103 der UN-Charta bestehenden Vorrangs bindender Resolutionen des UN-Sicherheitsrats gebunden.
Dieses Ergebnis wird durch die von der UN-Generalversammlung einstimmig verabschiedete „Friendly Relations Declaration“ (GA Res. 2625/XXV) vom 24. Oktober 1970 bestätigt. Diese bedeutsame Resolution wird im Völkerrecht aufgrund ihres – jedenfalls hinsichtlich des Interventionsverbotes – das Völkergewohnheitsrecht abbildenden Charakters als Auslegungshilfe allgemein herangezogen (vgl. dazu u.a. Fischer in Ipsen, Völkerrecht, 52004, S.1067 f. m.w.N.). Die „Friendly Relations Declaration“ hebt ausdrücklich hervor, dass im Völkerrechtsverkehr von Staaten jede Handlung zu unterlassen ist, die auf die teilweise oder vollständige Zerstörung der nationalen Einheit und der territorialen Unversehrtheit eines anderen Staates gerichtet ist. Als eine solche verbotene Handlung ist die völkerrechtswidrige Anerkennung eines sich als unabhängig erklärenden, bisher zu dem betreffenden Staat gehörenden Gebietes zu werten. Dies wurde auch durch den UN-Sicherheitsrat mehrfach festgestellt, u.a. in seiner Resolution 541 von 1983 in Hinblick auf die Anerkennung der ausgerufenen Türkischen Republik Nordzypern durch die Türkei.
2. Keine Staatlichkeit des Kosovo zum Zeitpunkt der Unabhängigkeitserklärung
Darüber hinaus weist der Kosovo gegenwärtig nicht die für einen Staat als Völkerrechtssubjekt erforderliche Staatlichkeit auf.
Die Staatlichkeit eines Herrschaftsverbandes erfordert nach der im Völkerrecht allgemein anerkannten Auffassung und der ständigen Staatenpraxis drei Elemente, die vorliegen müssen, damit ein Staat als Völkerrechtssubjekt besteht: Staatsgebiet, Staatsvolk sowie effektive unabhängige Staatsgewalt in Form der Gebiets- und Personalhoheit.
Dem Kosovo fehlt es bereits an souveräner genuiner Staatsgewalt. Denn diese setzt völkerrechtlich voraus, dass die betreffende Regierung das betreffende Gebiet und Volk unter Ausschluss aller anderen Herrschaftsträger tatsächlich „beherrscht“, also dort effektive Hoheitsgewalt ausübt.
Zunächst ist festzustellen, dass es sich bei der „Staatsgewalt“ des Kosovo bislang allenfalls um eine übertragene und somit nicht um eine genuine handelt. Sämtliche kosovarischen Organisationsstrukturen – wie etwa das Parlament, das Amt des Premierministers sowie das Gerichtssystem – wurden 2001 auf Grundlage des durch die UNMIK Regulation No. 2001/9 geschaffenen „Constitutional Framework for Provisional Self-Government“ errichtet. Diese UNMIK-Regulation stellt gleichzeitig die Quelle und Grenze jeglicher Hoheitsgewalt der durch sie geschaffenen kosovarischen „Organe“ dar. Daraus ergibt sich, dass den im Kosovo vorhandenen kosovarischen Organisationsstrukturen die ausgeübten Kompetenzen jederzeit durch eine neue UNMIK-Regulation vollumfänglich entzogen oder geändert werden könnten. Die UNO hat die ihr übertragenen Oberhoheit über den Kosovo nie aufgegeben. Aufgeben könnte diese nur der UN-Sicherheitsrat. Folglich fehlt es den Autoritäten, die die kosovarische Unabhängigkeit erklärt haben, an einer effektiven Staatsgewalt. Demzufolge ist die UNMIK in Gestalt des Sonderbeauftragten des UN-Generalsekretärs völkerrechtlich nach wie vor die entscheidende Inhaberin der Hoheitsgewalt im Kosovo und steht über den durch das „Constitutional Framework“ etablierten kosovarischen Organisationsstrukturen. Somit fehlt es dem Kosovo gegenwärtig in jedem Fall bereits an souveräner Staatsgewalt. Auch das Erfordernis der Effektivität kosovarischer Staatsgewalt ist nicht erfüllt.
Dass aufgrund der seit 1999 bestehenden UN-Verwaltung im Kosovo auch Serbien zur Zeit keine effektive Staatsgewalt über den Kosovo ausübt, ändert nichts an dem Rechtsstatus des Kosovo als serbische Provinz bzw. völkerrechtlicher Teil des serbischen Staatsverbandes. Eine ähnliche Situation besteht übrigens auf Zypern: Nordzypern ist völkerrechtlich weiterhin integraler Bestandteil Zyperns, obwohl die Jurisdiktion über Nordzypern durch die türkisch- zypriotische Regierung ausgeübt wird. Darüber hinaus überlagert die im Kosovo ausgeübte UN-Hoheitsgewalt die serbische lediglich temporär, ersetzt diese aber nicht.
Die nach dem 18. Februar 2008 erfolgte Anerkennung des Kosovo durch Drittstaaten wie die USA, Frankreich, Deutschland und Großbritannien vermochte eine Staatlichkeit des Kosovo – jedenfalls bisher – nicht zu begründen.
3. Bedenkliche Stellungnahme des Auswärtigen Amtes
Die vom deutschen Auswärtigen Amt bislang vertretene völkerrechtliche Interpretation, die einen Austritt des Kosovo aus dem serbischen Staat zu legitimieren sucht, stützt sich vor allem auf eine Fehlinterpretation der UN-Sicherheitsrats-Resolution 1244/99 vom 10. Juni 1999. Die Stellungnahme des AA enthält im Wesentlichen ein zweistufiges Argument.
Zum einen meint das AA, die UN-Resolution 1244/99 vom 10. Juni 1999 schließe die Möglichkeit einer anderen als der in ihr geforderten politischen Lösung nicht aus, sobald diese aufgrund mehrfach und nun wohl endgültig gescheiterter Verhandlungen nicht mehr möglich sei. Ferner argumentiert das AA: Die UN-Resolution 1244/99 lege keine endgültige Lösung der Statusfrage des Kosovos fest; die in ihr normierte Achtung der territorialen Integrität Jugoslawiens/Serbiens beziehe sich nur auf die durch die Resolution errichtete UN- Übergangsverwaltung. Aus diesen Gründen verstießen – so das AA – weder die Unabhängigkeitserklärung noch die Anerkennungserklärungen gegen die UN-Resolution 1244/99, welche Vorrang vor dem allgemeinen Völkerrecht habe. Dieser Ansicht kann jedoch aus den oben unter II. dargelegten Gründen nicht gefolgt werden.
Zur Unterstützung seiner Argumentation verweist das AA außerdem auf den mutmaßlichen Willen des UN-Sicherheitsrates zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Resolution 1244/99. Demnach könne es nicht dem Willen des UN-Sicherheitsrates bei Erarbeitung der Resolution 1244/99 entsprochen haben festzulegen, dass ein anderer Weg als die normierte politische Lösung nicht mehr möglich und gangbar sein solle. Ein solcher hypothetischer Willen des UN-Sicherheitsrates kann jedoch nicht einfach unterstellt werden, schon weil er im Wortlaut der UN-Resolution gerade keinen Niederschlag gefunden hat. Die Unterstellung des AA beruht auf einem im Völkerrecht nicht zulässigen rein-subjektiven und hypothetischen Interpretationsansatz und widerspricht damit den im Grundsatz auch auf UN-Sicherheitsratsresolutionen anwendbaren völkergewohnheitsrechtlichen Auslegungsmethoden aus Art. 31 und 32 der Wiener Vertragsrechtskonvention.
4. Die Erklärung des Rats der EU vom 18. Februar 2008 steht nicht im Einklang mit dem geltenden Völkerrecht
Zwar vermied es der EU-Rat in seiner Erklärung vom 18. Februar 2008, eine ausdrückliche Stellungnahme zur Rechtmäßigkeit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo und zur Anerkennung durch Drittstaaten abzugeben. Dennoch ließ er seine mehrheitliche Auffassung erkennen, die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo verstoße nicht gegen die UN-Resolution 1244/99 oder allgemeines Völkerrecht, zu deren Beachtung er sich aber gleichzeitig ausdrücklich verpflichtete.
„Der EU-Rat wiederholt das Festhalten der EU an den Grundsätzen der UN-Charta und der Schlussakte von Helsinki, worunter die Souveränität und territoriale Integrität und alle Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats fallen. Er unterstreicht seine Überzeugung, dass – mit Blick auf den Konflikt der 90er Jahre und die ausgedehnte Zeit der internationalen Verwaltung des Kosovo nach Resolution 1244 – Kosovo einen fall sui generis darstellt, welcher besagte Grundsätze und Beschlüsse nicht in Frage stellt.“
Die Begründung des EU-Rates beruht letztlich auf dem Argument, die Situation im Kosovo sei ein Fall besonderer Art („sui generis“), stelle also eine einzigartige Konstellation dar, die nach bestehenden allgemeinen Regeln des Völkerrechts nicht zu lösen sei. Insofern bediente er sich der Argumentation des UN-Sonderbeauftragten Ahtisaari, der in seinem Bericht festgestellt hatte: „Kosovo ist ein einzigartiger Fall, der eine einzigartige Lösung verlangt. Er stellt keinen Präzedenzfall für andere ungelöste Konflikte dar.“
Auch dieses Argument vermag jedoch nicht zu überzeugen. Denn es handelt sich dabei letztlich um den Versuch, die mit dem geltenden Völkerrecht nicht kompatible kosovarische Unabhängigkeitserklärung dadurch zu legitimieren, dass ein quasi rechtsfreier Raum behauptet und damit unterstellt wird, es fehle an aktuell geltenden völkerrechtlichen Regeln für eine Sezession. Das trifft aus den oben dargelegten Gründen jedoch nicht zu.
Würde man dem Argument der Mehrheit des EU-Rates folgen, wäre eine völkerrechtswidrige Situation letztlich immer dann unbeachtlich, sobald die Umstände dies aus Sicht der Handelnden erfordern. Das ist seit langer Zeit die typische Argumentation derjenigen, die Völkerrecht brechen wollen und brechen. Sie negiert letztlich das geltende Völkerrecht, wenn dieses als unpassend erscheint, und höhlt dieses aus.