Gramatik der illyrischen Sprache wie solche im Munde und Schrift der Serben und Kroaten gebäuchlich ist
von Andreas Torquat Berlić
Vorerinnerung.
Es ist bekanntlich der gesetzlich ausgesprochene Wille Seiner k. k. apostolischen Majestät, dass jeder Beamte und Officier, welcher zum Vorgesetzten von Serben und Kroaten im ganzen Süden der k. k. Staaten vom eisernen Thore bis türkisch Albanien bestellt ist, deren Sprache verstehe und spreche. Um die Befolgung des allerhöchsten Willens zu erleichtern habe ich vorliegende Grammatik mit der möglichsten Praecision verfasst und werde mich für die dabei gehabte Mühe reichlich belohnt fühlen, wenn recht viele Deutsche daraus meine Muttersprache erlernen.
Diesem Werkchen liegen zu Grunde die gediegenen Vorarbeiten des Vuk Stefanović Karadžić, Franz Miklošić, Georg Daničić, I. A. Berlić und Vjekoslav Babukić. Auch habe ich in meiner zweijährigen Anstellung, als bevollmächtigter Verwalter der bisthümlichen Herrschaft Djakovar, täglich Gelegenheit gehabt mit dem Volke, das, zum Theile vor etwa 100 Jahren aus Bosnien und Lika eingewandert, die reinste Sprache in Slavonien spricht, und sich sowohl zur slavisch-orientalischen, als zur römisch-katholischen Kirche bekennet, in vielfachen unmittelbaren Verkehr in und ausserhalb meines Berufes zu kommen und meine Aufmerksamkeit selbst den geringeren Wendungen der Sprache zu widmen. Was ich schrieb, das verbürge ich vom Volke oft gehört zu haben.
Das Buch ist zwar nicht gross, doch grosser als ich es gewünscht hätte. Die Benutzung des cуrillischen sowohl als des lateinischen Alphabetes ist die Ursache dessen. [Auch hätte ich die Aufgaben und Bedeutungen der Worte in denselben gerne mit kleinerer Druckschrift herauszugeben gewünscht, aber der Accentuation wegen mussten sogar diese serbischen und Kroatischen Lettern neu gegossen werden.] Anderseits bewog mich die Abneigung vor grösserem Umfange in der Sуntaхe bloss ein Alphabet zu benützen.
Ich habe desshalb beide Schriftzeichen angewendet, damit man nicht glaube, dass die Croaten und Serben zwei verschiedene Nationen sind, welche verschiedentliche Sprachen sprechen und schreiben. Nunmehr beschränkt sich, in Folge der ethnographischen Vereinigung, der Unterschied im Gebrauche dieser Namen bloss auf die Cultusverschiedenheit. Die römisch-katholischen Bekenner einer und derselben Nation heissen Croaten, die den slavisch orientalischen Cultus bewahrt haben, werden Serben genannt. Jene, untreu dem glagolitischen Alphabete, nennen das lateinische Alphabet ihr, diese halten an das mit dem Christenthume ererbte cуrillische. Daher ist jener am halben Wege, welcher nur eines dieser Alphabete kennt. Die Katholiken Bosniens und Slavoniens bedienten sich bis fast zu unserer Zeit in religiös-officiellen Büchern und Protokollen der Cуrilica, während die slavisch-orientalischen Priester auch jetzt noch mit lateinischen Buchstaben in Croatien und Slavonien die amtliche Correspondenz mit den landesfürstlichen Behörden führen. Wir sind Stammesbrüder, durch die Eifersüchtelei Constantinopels mit Rom getrennt, wir sind eine Nation, wie diess auch der scharfsinnige Jesuit Pejacsevich in seinem Werke : Historia Serviae seu colloquia XIII. de statu regni et religionis Serviae ab eхordio ad finem sive a saeculo VII. ad XV. auctore Franc. Xav. e L. B. de Pejacsevich a Verocza etc. Edidit Math. Franc. Kerticza, Eppus Bosn. Colocae 1799. mit einer in jener Zeit ungekannten Klarheit ausspricht: Ritus sacrorum, quod sciam, ut olim, in Serbliae regno promiscuas, hodieque ac plane permiхtus est. Sunt ab olim in praesens usque tempus per Serbliam magno numero Archiepiscopi, episcopi, coenobia, clerus, populusque ritus utriusque: et quamquam sacrorum caerimoniis magna pars ipsorum Lafinis consentiat, non sunt tarnen gens extranea, sed consanguinea, et unius prorsus tecum, qui graeco more operaris, originis. Et aetas illa, qua idolis damnatis Christi (idem Serblia primum compleхa est, tantum mуsterium in ritus discrimine non posuit, quantum nunc nobis fingimus. (So viel ich weiss, war in Serbien [Hier sind jene Länder gemeint, welche das serbische Kaiserthum des Stephan Dušan Silni im 14- Jahrhunderte bildeten, welche zwar verschiedene Provinziat-Namen führen, aber annoch von Serben römisch-katholischen und orientalischen Ritus im ganzen illyrischen Dreiecke bewohnt werden.] der Ritus einstens gemischt und ist es auch heut zu Tage noch. Es giebt von je her bis in die Gegenwart in Serbien zahlreiche Erzbischöfe, Bischöfe, Klöster, Geistlichkeit und Volk beiderlei Ritus: und obwohl in den heiligen Caeremonien ein grosser Theil derselben mit den Lateinern hält, so sind es doch kein fremdes Volk, sondern ein blutsverwandtes und desselben Ursprungs mit dir, der du auf griechische Weise deine Andacht verrichtest. Und auch zu jener Zeit, wo Serbien, nach Ablegung des Heidenthums, den Glauben Christi zum ersten Mahle annahm, wurde in die Verschiedenheit des Ritus kein solches Glaubensgeheimniss gesetzt, wie wir es uns jetzt einbilden.)
Der Versuch, das National-Gefühl der Croaten und Serben unter dem Namen von Illуriern zu vereinigen ist vollkommen gescheitert. Ob der Name Srb oder Hrvat zum allgemeinen, herrschenden auf dem illуrischen Dreiecke werden wird, hängt von dem überwältigenden geistigen und politischen Aufschwünge der Serben oder Croaten ab. Diesen aber birgt die Zukunft in ihrem Schosse. Mir hat der Name Illуrier keinen proselytenmachenden Zweck. Weil die Alten unser Land Illyrien und im Deutschen und Latein uns selbst Illyrier hiessen, so liess ich die Ansprüche dieses Namens auf den Titel meines Werkchens gelten.
Schließlich bemerke ich, dass wenn Jemand die allenfälsigen Mängel und Fehler, die er darinnen zu finden vermeint, mit kritischer Feder zu bezeichnen gesonnen ist, er diess sine ira et studio thue, beseelt von demselben Streben, das meine Brust erfüllt : das Emporblühen unserer schönen und lieben Muttersprache zu fordern. Auch halte er stets meinen Zweck klar vor den Augen, welcher war: Nicht als Auctorität im Senate slavischer Grammatiker und Philologen aufzutreten, sondern den deutschen Anfängern die Erlernung unserer Muttersprache zu ermöglichen.
Wien in der Charwoche 1854.
Der Verfasser.